derzeit gibt es eine erfreuliche kleine diskussion, die sich über mehrere blogs erstreckt. soomah eröffnete mit der aussage, dass er immer ein „bißchen schmunzeln (muss), wenn(er) von Christen (hört), die sich als (radikale) Dekonstrutivisten bezeichnen – weil damit die Offenbarung in sich zusammenfällt“:“(den „DEkonstruktivismus“ konnten wir schnell klären, das war ein vertipper)“:.“ ich habe dieser auffassung des konstruktivismus widersprochen und möchte hier noch ein paar details geben, warum ich denke, dass man christ und konstruktivist sein muss, weil beide positionen untrennbar ineinander verwoben sind.
später hat josha noch einen post zum konstruktivismus geschrieben, mit dem ich weitestgehend übereinstimme.

der konstruktivismus nimmt die nötige mittelposition zwischen repräsentationalismus (oder repräsentationismus?) und solipsismus ein. diese mittenposition ist deshalb nötig, weil beide extreme nicht haltbar sind. zur weiteren vertiefung empfehle ich: maturana/varela: „der baum der erkenntnis“, seiten 145ff. maturana und varela gehen das problem aus biologischer sicht an.

1. repräsentation:
als repräsentationist denkt man, dass die welt so ist, wie man sie wahrnimmt oder sich vorstellt. theologisch hiesse das: „so wie ich die bibel und den gott verstehe, so sind sie auch.“ diese theorie kann jeder selbst widerlegen, der ein bewusstsein sein eigen nennt. du wirst dich entwickelt haben um zu dem punkt zu gelangen, an dem du heute bist. im laufe der jahre hat sich deine welt verändert und erweitert, du hast dazu gelernt und vergangene einsichten über den haufen geworfen. wenn du noch länger lebst, wirst du dieses phänomen immer wieder beobachten und feststellen, dass die welt mitnichten so ist, wie du früher gedacht hast – daraus kannst du nur einen logischen schluss ziehen: sie ist auch nicht so, wie du jetzt denkst.
nicht einmal das, was deine sinne wahrnehmen ist so, wie du es wahrnimmst. farbe ist keine eigenschaft eines körpers den du siehst sondern des lichtes, das er reflektiert: in einem anderen licht sieht er anders aus, was man leicht beobachten kann, wenn man dieselbe bank im morgenlicht sieht und wenn die sonne im zenit steht. von dem licht siehst du noch nicht einmal alles, genau genommen nur einen recht kleinen ausschnitt von etwa 400 bis 800 nm.
dieses licht wird von deinem gehirn interpretiert. genauer, der eindruck, den das licht auf der netzhaut hinterlässt. dein gehirn wiederum ist in sich geschlossen und die interpretation kann zwar von aussen angeregt, aber nicht bestimmt werden. präziser: das licht kann nicht bestimmen, wie es wahrgenommen und vom gehirn interpretiert wird, das gehirn bestimmt das. wieder ein einfacher test: von bier zu bier wird die strasse immer enger (tunnelblick), was aber nicht an der strasse liegt. (bitte nur als beifahrer testen!) es liegt also nicht an der umgebenden wirklichkeit, wie du sie wahrnimmst, das machst du ganz alleine.

was biologisch gilt, gilt ebenso philosophisch und theologisch: du nimmst einen kleinen ausschnitt aus der wirklichkeit wahr. dieser ist auch noch dadurch gefiltert, dass DU ihn wahrnimmst. ich nehme ihn ganz anders wahr als du. in diesem sinne ist klar, dass unsere theologischen einsichten nicht genau repräsentieren, wer gott ist, wie gott ist und was in der bibel steht. natürlich gibt es menschen, die das behaupten, aber auch ihnen kann man eine entwicklung ihrer sich nachweisen.

2. solipsismus:
der solipsismus geht davon aus, dass es NUR das innere universum gibt und keine äussere welt. diese position wird oft mit konstruktivismus verwechselt, stellt aber tatsächlich eine eigene schule dar. schopenhauer sagte über solipsisten, „dass sie ins tollhaus gehörten“. vermutlich trifft man sie dort auch am häufigsten an, in freier philosophischer wildbahn sind sie wenigstens sehr rar.
ich weiss von gorgias von leontinoi, dass er ein rechtschaffener solipsist war. das muss im vierten jahrhundert vor christus gewesen sein und sein werk ist unglücklicherweise nicht erhalten. wenn ich mich recht erinnere (ist lange her, dass ich die alten griechen gelesen habe):“(falls jemand die fakten anders erinnert: bitte mit quellenangabe kommentieren!)“:, waren seine drei hauptsätze:
1 – es gibt nichts
2- wenn es etwas gäbe könnte man es nicht erkennen
3- wenn es etwas gäbe, was man erkenn könnte, könnte man darüber nicht reden

„is all that we see or seem but a dream within a dream?“
certainly not, mr.poe! natürlich gibt es eine umwelt, wer das nicht glaubt möge den hammertest machen: hau dir volles pfund einen fäustel auf den fuss und erlebe die wirklichkeit! davon gehe ich als konstruktivist aus, allerdings können wir diese wirklichkeit nicht so wahrnehmen wie sie ist, konstruieren sie also für uns selber.

der konstruktivismus liegt also dazwischen und sagt: es gibt eine wirklichkeit, die wir aber nicht so wahrnehmen wie sie ist, sondern die wir uns aus unseren begrenzten wahrnehmungen individuell zusammensetzen. voilà!

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3 Kommentare

  1. http://www.gottwein.de/Grie/vorsokr/VSGorg02.php
    http://www.lateinforum.de/thesauru/WdAntike/G/gorgias.htm

    als auch Wikipedia reden davon, dass verschiedene Schriften noch vollständig erhalten wären.

    Naja ich denke die zwei Schriften dürfte man in ner gut sortierten Bibliothek schon finden, aber wer will das schon ?

  2. ja. sind, aber das sind reden. nicht das werk über die natur aus dem die sätze sind. die anderen sachen interessieren mich nicht sooo sehr. das über die natur hätte ich hingegen gerne mal gelesen.

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