22. Februar 2006 6

predigen – Hiob 6,28

Habt endlich die Güte, wendet euch mir zu, ich lüge euch nicht ins Gesicht. (Hiob 6,28 nach der Einheitsübersetzung)

Es gibt viele Modelle, die Menschen in Schubladen einordnen. Populär sind dabei entweder zwei (Mann oder Frau, Christ oder Heide) oder vier (DISG oder in der Soziologie Talcott Parsons die AGIL-Kreuztabellen). Meiner Ansicht nach sind das meistens Plattheiten, die uns helfen sollen mit Komplexität umzugehen. Menschen brauchen Schemata, etwas was ihnen sagt, wer „in“ ist und wer „out“ und was ihnen hilft die welt zu sortieren und zu verstehen. Letztlich wird niemand, hoffe ich!, der ernsten Meinung sein, dass unsere kleinen Schamata die Welt so abbilden wie sie ist. Niklas Luhmann, den ich momentan gerne lese, hätte das gemocht. Für ihn stand am Anfang allen Denkens der Satz: „mache eine Unterscheidung“. Ich selbst bin noch unschlüssig. Ich mag die Schönheit des Komplexen, warum es reduzieren?

Dennoch sprang mich eine Unterscheidung an als ich diese Verse gelesen habe. Es gibt zwei (jawohl, nur zwei!) Arten von Christen: diejenigen, die zuhören können und die Prediger. Hiobs Freunde waren Weltmeister darin ihre Theologie an den Mann zu bringen. Sie konnten reden und reden und klangen dabei so herzlos wie die Imagebroschüre des Ku Klux Klan. Ihr Problem war, dass sie einfach nicht anders konnten als das, was sie gelernt hatten weiter zu geben. Sie waren wie diese fiesen kleinen Radios, die es mal bei McDonalds in den Juniortüten gab und die alle nur ein einziges Lied spielten. Manchmal „no angels“ mag okay sein, aber bitte nicht immer.
Hätten sie sich Hiob in ehrlichem Interesse zugewandt, ihm zugehört und ihn verstanden statt einfach die Phrasendreschmaschine anzuwerfen wären dem heutigen Hiobleser einige unerquickliche Kapitel und ihnen selbst einige Peinlichkeiten erspart geblieben. Bestimmt hätten sie dann anders geredet.

Da Christentum sich wesentlich um eine Botschaft aufbaut, haben wir uns manchmal eine Botschaftermentalität zugelegt die in vielen Situationen einfach nur unpassend ist. Statt uns den Menschen um uns herum zuzuwenden werfen wir jedesmal die Predigplatte an wenn wir ihnen begegnen und wiederholen so eloquent wie stereotyp die vier geistlichen Gesetze, die fünf Schritte zur Heilung und die sieben Todsünden. Womit wir oft so auferbauend sind wie die 39 Peitschenhiebe…
Für mich war es eine wichtige Lektion zu begreifen, dass meine geistlichen Einsichten nicht für jedermann sind und dass manch einer gar nicht scharf ist auf meine Lösungsvorschläge. Manchmal ist es besser, einfach zuzuhören und zu schweigen – und beim Schweigen auch noch in eine weitere Richtung zu hören, nämlich auf die Stimme des Geistes. Irgendwer hat mal gesagt, dass er immer nur mit einem Ohr zuhört, wenn ihm jemand Probleme erzählt, und mit dem anderen Ohr auf Gott hört. Ich bin sicher, dass dieses Vorgehen zu überraschenden Äusserungen führt und dass das, was man dann noch sagt „frisch“ ist und nicht einfach eine Wiederholung. Ganz sicher wird sich jemand, dem man erst einmal zuhört, vielleicht sogar ganz ohne eine Antwort zu kennen, nicht angepredigt fühlen wie Hiob. Und dann auch nicht so harsch reagieren: „Habt endlich die Güte…“

Jeder Mensch hat zwei Ohren und nur einen Mund. Vielleicht wollte uns Gott damit was sagen…

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6 Kommentare

  1. Moin!

    Hier sprichst Du eine Problematik an, die sicher nicht nur Christen betrifft. Es scheint mir, das hat viel mit Hilflosigkeit zu tun. Ulkigerweise aber bei dem „Helfenden“. Zuhören ist echt eine Übung, die viel Disziplin erfordert. Und es hat auch viel mit Empathie zu tun, damit, sich selbst in der Lage des Hilfebedürftigen zu sehen. Ich fürchte fast, ich habe auch erst im letzten Jahr erkannt, daß ich, wenn ich Sorgen habe, im Grunde genommen überhaupt keinen Dialog suche, sondern eine Schulter, an der ich mich ausweinen kann, jemanden, der mich in den Arm nimmt und die Tränen wegwischt. Mit dieser Erkenntnis über das eigene Bedürfnis, fällt es dann auch viel leichter, anderen wirklich zur Seite zu stehen.

    Ich erinnere mich an ein Gespräch mit Dir, als Du sagtest „Frauen wollen keine Lösungen hören.“ – ich fürchte fast, wir wollen ALLE keine Lösungen hören… wir wollen geliebt werden. Und siehe da: Das IST die Lösung!!! 🙂

  2. Hallo!
    Hiobs Freunde haben immerhin erst mal 7 Tage geschwiegen und mit Asche bedeckt dagesessen, als sie Hiobs Schicksal und auch Hiobs Trauer sahen. Das ist doch schon mal nicht schlecht für den Anfang, oder? (Hiob 2, 11-13) Oft wissen wir nicht, was wir sagen sollen, wenn es wem richtig dreckig geht oder wer eine Krise durchmacht. Aber vielleicht ist Schweigen dann das Richtige – so wie Jan das beschrieben hat: nicht peinlich-hilflos sondern verstehend, Schulter anbietend, liebend.

  3. Definitiv richtig, nun sollte man natürlich nicht gleich in das andere Extrem verfallen. Aber ich bekenne mich zu beiden, 1. zu dem der lieber Tausend Tipps gibt, als einmal zu schweigen, und 2. der der derzeit nicht nach tipps sucht, sondern Schultern.

    jaja…

  4. hi iris.
    recht hast du. den anfang der freunde finde ich auch sehr löblich und habe ihn positiv erwähnt. http://www.jfrs.de/storch/blog/wordpress/2006/02/08/schweigen-hiob-211-13/

  5. Hallo Storch!
    Danke für diesen Post – das ist für mich eine wichtige Ergänzung, zu dem, was du in Bremen gepredigt hast!
    Gruß,

    Julian

  6. hi julian,

    willkommen auf meinem Blog! Du hast Recht: es ist eine Ergänzung, wobei ich in Bremen mehr ein allgemeines Prinzip gepredigt habe als eine so spezielle Sache wie die des Umgangs mit Kranken. Dennoch zeigt es mal wieder wie begrenzt Predigten sind: man bekommt immer nur eine Momentaufnahme; will man alle Aspekte eines Themas reinnehmen ist es nachher nur noch wischiwaschi, aber so besteht die Gefahr der Einseitigkeit.

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