31. März 2008 11

Der Golem

„Denn der Tod ist der Lohn der Sünde“ – Römer 6,23

Aus dem Alten Testament gaht deutlich hervor, dass Sünde tötet. Der Prophet Hesekiel hat das folgendermassen auf den Punkt gebracht: Die Seele, welche sündigt, die soll sterben! – Hesekiel 18,20.

Dieses Gesetz des geistlichen Todes – und damit des Verlustes der Gottesnähe – durch Sünde zieht sich vom Sündenfall bis Maleachi durch das ganze Alte Testament und wird erst im Neuen Testament aufgelöst.
Bei manchen Sünden sah das Gesetz dann noch die Illustrierung des geistlichen Prinzips durch den körperlichen Tod vor: Sünder gesteinigt, verbrannt und auf andere Weisen zu Tode gebracht – je nachdem, bei was für einer Sünde man erwischt wurde.

Nun sieht es ja im Neuen Testament zunächst einmal etwas anders aus.
In Christus sind wir befreit vom Gesetz des Todes (Römer 8,2), und auf Sünde folgt nicht unmittelbar der geistliche Tod. Durch die Wiedergeburt, etwas das man sich im Alten Testament gar nicht vorstellen konnte, haben wir ganz andere Voraussetzungen und überdies auch noch die Möglichkeit, durch die Gnade und Vergebung Jesu immer wieder von Sünde und Schuld befreit zu werden.
Im 1.Johannesbrief heisst es ja sogar, dass wir durch unser Leben im Lichte Gottes von Sünde befreit werden: Wenn wir aber im Lichte wandeln, wie er im Lichte ist, so haben wir Gemeinschaft miteinander, und das Blut Jesu Christi, seines Sohnes, reinigt uns von aller Sünde. – 1.Johannes 1,7
Also kann man in Christus leben und in seinem Licht wandeln und dennoch Sünde haben.
Also tötet Sünde nicht direkt zumindest nicht sofort.

Der Golem
Es gibt eine jüdische Geschichte, die ein bischen wie die von Frankenstein klingt:
Ein Rabbi, irgendwo in Osteuropa, baut aus Lehm oder Leichenteilen einen Menschen zusammen, der ihm bei allerlei Arbeiten helfen und unterstützen soll. Nachdem der Mensch fertig gebaut ist, liegt er reglos auf dem Tisch. Eine grobschlächtige Masse Mensch, noch leblos und unfähig sich zu beleben.
Der Rabbi betet des Nachts, singt einige hebräische Beschwörungsformeln und legt dem Golem einen Zettel in den Mund, auf den der Name Gottes geschrieben ist: hw“ùhy>. Da wird der Golem lebendig und bereit, seinem Herrn zu dienen.
Die Jahre ziehen ins Land, und der Rabbi hat ein gutes Leben während der Golem seine Arbeit verrichtet und mit der Zeit immer stärker und klüger wird. Am Anfang ist er noch ein schmächtiger Bursche mit wenig Verständnis von Haushaltsführung. Seine Kraft reicht kaum zum Bodenwischen. Nach ein bischen Holz hacken muss er ins Bett und erst einmal ausruhen. Aber mit der Zeit wird er ein grosser, starker und kluger Bursche, den der Rabbi für alle Arbeiten einsetzen kann, die er will.
Und da geschieht das Schreckliche: als der Rabbi dem Golem wie jeden Abend den Namen Gottes aus dem Mund nehmen will, um ihn nicht zu mächtig werden zu lassen, weigert sich der Golem. Er ist bereits zu mächtig geworden und erhebt sich über seinen Herrn.
Er ist nicht mehr Knecht, sondern wird ein gefährliches gewalttätiges Wesen, das schliesslich den Rabbi tötet und viel Zerstörung anrichtet, bevor es selber von den Männern des osteuropäischen Dorfes getötet wird.

Wie der Golem ist auch die Sünde. Man kann eine ganze Weile gut mit ihr leben, und es fällt kaum auf. Aber irgendwann kommt der Punkt, an dem man die Sache nicht mehr unter Kontrolle hat und es eskaliert.
Nimm zum Beispiel Judas: er war drei Jahre mit Jesus unterwegs und hatte die ganze Zeit Probleme mit Geld. Er war ein Dieb und hat die Reisekasse, die Jesus und die Jünger gemeinsam hatten, bestohlen (Johannes 12,6). Judas kam eine ganze Zeit damit durch. Vielleicht hat er ein schlechtes Gewissen gehabt und sich immer wieder gute Vorsätze gemacht, aber letzten Ende hat ihn diese Sünde buchstäblich getötet: nachdem er für einen kleinen Geldbetrag Jesus verraten hatte, traf ihn die Erkenntnis seiner Schuld wie ein Hammer und er erhängte sich.
Obwohl er die gleiche Berufung hatte wie Petrus und Johannes und die anderen Jünger, ist sein Name mittlerweile zu einem Synonym für Verrat geworden.

Biographien wie diese liessen sich unendlich viele finden. Aber gerade die des Judas ist besonders ärgerlich. Er sass direkt an der Quelle der Befreiung. Wahrscheinlich hätte es gereicht, wenn er Jesus einfach mal seine Sünde gebeichtet hätte, um frei zu werden.

Sünde tötet nicht sofort, sie tötet als Prozess. Es fängt klein an und irgendwann sitzt ein riesiger Golem in deinem Leben und erhebt sich über seinen Meister.

Irret euch nicht; Gott läßt seiner nicht spotten! Denn was der Mensch sät, das wird er ernten. Denn wer auf sein Fleisch sät, wird vom Fleisch Verderben ernten; wer aber auf den Geist sät, wird vom Geist ewiges Leben ernten. – Galater 6,7-8 nach der Schlachterübersetzung

Manchmal wiegen wir uns in einer trügerischen Sicherheit, weil zwischen Saat und Ernte eine Zeit vergeht. Weil nicht alles, was wir tun, sofort Konsequenzen hat, meinen wir, dass nie etwas passieren wird. Aber das stimmt nicht. Es ist nur so, dass eine Saat Zeit braucht, bis sie aufgeht, und dass auch die Sünde Zeit braucht, um ihr ganzes tödliches Potential zu entfalten.
Es kann sein, dass man mit einer Sache lange leben kann, bis der Zeitpunkt kommt, an dem es richtig ätzend wird. Aber dieser Zeitpunkt wird kommen. Sünde ist nichts, womit man spielen kann, sondern eine allzu oft unterschätzte tödliche Krankheit.

Den Golem töten
golem

Ein scheinbarer Widerspruch im 2.Korintherbrief führt uns auf eine gute Spur, wie man mit seinen Golems fertig wird.
Zunächst spricht Paulus davon, dass wir in Christus zur Gerechtigkeit Gottes gemacht
wurden: Denn er hat den, der von keiner Sünde wußte, für uns zur Sünde gemacht, auf daß wir in ihm Gerechtigkeit Gottes würden. 2.Korinther 5,21.- Schlachterübersetzung
Das beschreibt die Wiedergeburt. Unsere Stellung hat sich total verändert. Wir sind in Gottes Augen nicht mehr verlorene Sünder, sondern gerecht und heilig.
Das ist ein echter Grund zur Freude!
Aber damit endet es nicht. Es folgt später eine Ermahnung, die fast wie ein Widerspruch klingt: Weil wir nun diese Verheißungen haben, Geliebte, so wollen wir uns reinigen von aller Befleckung des Fleisches und des Geistes, zur Vollendung der Heiligung in Gottesfurcht. 2.Korinther 7,1 – Schlachter

Obwohl wir bereits die Gerechtigkeit Gottes sind, ist es nötig, diese Gerechtigkeit in unserem Leben zu vollenden oder zu verwirklichen. Der Schlüssel ist hier Gottesfurcht.
Gottesfurcht hat nichts zu tun mit einer unbiblischen Angst vor Gott. Gott ist unser Vater und unser Freund. Egal, was in unserem Leben läuft, wir müssen und sollen keine Angst vor Gott haben. Gottesfurcht ist eine Einstellung, die Gottes Heiligkeit erkennt und anerkennt.
Wir lernen Gott immer besser kennen und beginnen die Dinge zu hassen, die er hasst und uns vor Sünde zu ekeln. Dieser Ekel vor Sünde ist unser effektivster Schutz gegen die Golems.

Manchmal mag es auch nötig sein, sich Hilfe zu suchen. Genauso wie der Rabbi den Golem nicht alleine töten konnte und Hilfe brauchte, brauchen auch wir manchmal Hilfe. Im Neuen Testament begegnen uns viele Menschen, die entweder von Jesus selber oder von seinen Jüngern befreit wurden. Das hat manchmal mit dämonischen Bindungen zu tun, machmal aber auch einfach mit seelischen Problemen. Mit Verletzungen und Charakterschwächen. Wenn Du es nicht alleine schaffst, ist das nicht schlimm. Du musst es auch gar nicht alleine schaffen.

Das schlimmste ist es, einen Golem im Verborgenen wachsen zu lassen, bis er richtig gross wird. Es ist immer besser, mit einer Vertrauensperson darüber zu reden und zu beten und sich nicht selber zu isolieren oder isolieren zu lassen. Manches kriegt man eben nicht alleine unter die Füsse.

Das Recht zu töten und das Recht zu leben
Die Sünde hat das Recht zu töten, ein Recht, das ihr von Gott selbst gegeben wurde, und dieses Recht wurde noch nicht wieder zurückgenommen. Aber wir haben als Kinder Gottes auch das Recht zu leben, und Gott hat es der Sünde durch die Gnade erheblich erschwert, zu töten. Auch wenn uns Sünde von Gott wegbringt und uns so weit von ihm wegbringen kann, dass irgendwann kein geistliches Lebenszeichen mehr da ist, ist das kein Schicksal.
Die Chancen stehen mehr als gut, dass uns das nicht passiert. Der Weg zu Gott steht immer offen, und es ist immer Vergebung der Sünden möglich. Nicht jede Sünde wird ein Golem. Manchmal wird man von einem Fehltritt übereilt (Galater 6,1), tut Busse und steht wieder auf.
Ein Golem der Sünde entsteht da, wo die Sünde Teil unseres Lebens wird und nicht mehr wegzudenken ist. Wo wir uns vielleicht auch so sehr daran gewöhnt haben, dass wir sie auch gar nicht mehr wegkriegen wollen.

Impressum
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@_verantwortlich für den Inhalt: storch. Für Fragen stehe ich gerne zur Verfügung.
?_mehr Theologie der Jesus Freaks Remscheid im Internet: www.theologie.jfrs.de
?_zu diesem Handout gibt es eine Predigtkassette. Auch als mp3 im Internet
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(1) http://home-1.worldonline.nl/~hamberg/
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(3) http://www.godsandmonsters.net/photos2.htm

Es gibt viele Geschichten, Bilder, Bücher und Filme über künstliche Menschen und Monster, die ihrem Schöpfer irgendwann über den Kopf wachsen. Offenbar hat die Kunst ein Wissen über das Zertörerische im Menschen, das wir heute gerne leugnen…

[Predigt dazu]
[Handout als .pdf zum download]

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9 Kommentare

  1. Hallo Storch, vielen Dank für den heutigen Beitrag! LG, Julia

  2. Super Geschichte! Gefällt mir sehr. Was aber tue ich, wenn mein Golem (Depression) mehr eine Krankheit als eine Süde ist und wenn sowohl eigene Bemühungen als auch die Hilfe von Aussen bisher den Golem nicht beseitigen konnten? Vielleicht habe ich ja immer noch nicht die richtigen „Experten“ für dieses Monster gefunden?
    Gruß+Blessing
    Ralf

  3. Erst einmal ist es beruhigend zu wissen, das es keine Verdammnis für die gibt, die in Christus Jesus sind (Röm 8,1).
    Dennoch sollten wir die Sünde nicht verharmlosen, denn, wenn wir ihr Raum in unserem Leben geben, wird sie versuchen sich zwischen uns und Gott zu stellen. Gelingt es ihr, dann sind wir getrennt von Gott und somit geistig tot.
    Habe kürzlich einen Eindruck gehabt und ihn aufgeschrieben (nach einer Empfehlung auf diesem Blog, seine Eindrücke und Erlebnisse aufzuschreiben).
    Wenn ich Sünde bekämpfe oder bekämpft habe, dann kann oder konnte sie nicht so tief in mich hineindringen und wird oder wurde nicht ein Teil von mir.
    Denn je tiefer etwas in mir Raum einnimmt, wird es schwieriger für mich dies wieder los zu werden.
    Denn womit ich mich beschäftige, formt mich.
    Segen
    Roland

  4. @ralfo: ja, so in der art. depressionen sind ein fieses ding und halt eine krankheit, keine sünde.

  5. äh … da ist ein Trackback zu viel. Sorry.

  6. @Don Ralfo: Depression ist u.U. ein sehr vielschichtiges „Monster“ und muss daher häufig auch ebenso vielschichtig untersucht bzw. auf verschiedenen Ebenen abgecheckt werden um die Wurzel zu entdecken. Je nach Art, Häufigkeit, Intensivität etc. muss man nicht selten auch länger suchen um die richtigen Unterstützungs-„Experten“ zu finden. Etliche professionelle Adressen findet man z.B. hier: http://www.der-beratungsfuehrer.de. Natürlich gibt es auch da solche und solche Angebote, aber ich denke es ist eine gute Möglichkeit nach entsprechenden „Experten“ zu suchen… und hoffentlich auch zu finden! LG.

  7. immerhin klappt der trackback mal. ein echter fortschritt…

  8. Danke! Guter Beitrag!

  9. @Julia: Kenne dieses Monster schon seit der Kindheit. Dachte manchmal schon, ich hätte es vernichtend geschlagen. Doch hatte es sich scheinbar nur ein paar Jahre zurückgezogen, um in unscheinbarer Verkleidung zurückzukehren. Larvierte Depression, nannte es mein Hausarzt einmal. Ich riss ihm die Larve ab, ließ für mich beten, ging zum Psychiater, nahm Pillen die auch halfen, doch das Monster war nur halb betäubt. Mir ist, als wäre es mit mir verwachsen, schon wie ein Teil von mir. Ein netter Psychotherapeut, wohl kein Christ in unserem Sinne, aber gottgläubig, stand mir heldenhaft über ein Jahr lang bei, stärkte meine Kräfte im Kampf. Das letzte Jahr war besser als die davor – Doch das Monster lebt weiter und ist unberechenbar. Wenn es ein Dämon wäre, könnte man ihn austreiben – doch es ist wohl leider keiner. Denn das wäre leicht.
    Danke für Deinen Tip. Im Moment gehts mir gut. Aber ich habe so das Gefühl – nur eine Atombombe könnte mein Monster killen ;-))

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  1. […] 2008 Ich habe mich eben bei Storch umgeschaut. Ich habe dabei irgendwie das Gefühl, dass ich diesen seinen Artikel als Ergänzung zu meinem Beitrag  gestern heute verknüpfen […]

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