Der Konflikt zwischen dem Geist und dem Fleisch

In Römer 7 führt Paulus einen Begriff ein, der für seine Theologie sehr wesentlich ist. Den des „Fleisches“. Der Begriff ist so typisch paulinisch, dass Walter Jens ihn schwerlich ändern konnte. Das tut er auch nicht. Die Übersetzung arbeitet allerdings, klarer als andere, eine Definition des Wortes heraus.
Zunächst bringt Paulus am Anfang des Kapitels eine der Analogien, die für seinen Schreibstil so typisch. Bei näherer Betrachtung kann er auch gar nicht ohne Beispiele auskommen, weil man über Gottes Reich kaum in direkten Worten reden kann. Es ist ein Thema, das auf dieser Welt keine Entsprechung hat und so muss man sich über Vergleiche annähern.
Der Vergleich zielt darauf ab, dass das Gesetz des Mose keine Macht mehr über uns hat. Ebenso wie eine Frau nach dem Tode ihres Mannes keine Pflichten mehr gegen ihn hat und von ihm frei ist, sind wir frei vom Gesetz weil das Gesetz für uns tot ist. Wir sind jetzt die Braut Christi und er hat Macht über uns, aber kein Buchstabe des Gesetzes. Wir müssten auch nicht mehr sündigen, denn mit dem Gesetz ist auch die Sünde gestorben. So weit so gut, aber noch ist es die pure Theorie und jeder weiss, wie schwer es ist, diese Theorie im Alltag praktisch werden zu lassen. Wenn das Gesetz tot und wir der Sünde gestorben sind, warum kann es dann immer noch passieren, dass wir sündigen?
Hier kommt das Fleisch ins Spiel. Zunächst einmal ist aber alles positiv, der Sünde gestorben können wir der Gerechtigkeit leben:

Wie anders war es früher!
Da tatet ihr, was unsere Natur befahl
– ich nenne sie Fleisch! – möget ihr verstehen!1

So positiv bleibt es nicht, denn ungefähr die ganze zweite Hälfte des Kapitels behandelt einen großen Konflikt. Unsere alte Natur, das Fleisch, ist zwar tot, aber noch immer recht wirksam und so kommt es zum Kampf zwischen dem alten Leben mit seinen Leidenschaften und dem neuen Leben in Christus.

Dieser Hauptteil von Römer 7 ist verschieden ausgelegt worden. Da die paulinische Anthropologie von Fleisch und Geist, alter Mensch – neuer Mensch oder altes Leben – neues Leben eine psychologisch und theologisch komplexe Angelegenheit ist, war das auch nicht anders zu erwarten. Im Laufe der Zeit haben mich vor allem drei Auslegungen angezogen. Die dritte ist mein derzeitiger Favorit.

1) Eine klassische Auslegung ist, dass Paulus seinen Weg zu Christus beschreibt. Römer 7 ist dann eine Übergangsphase des Kampfes auf dem Weg zum neuen Glauben und der Freiheit in Jesus. Die Auslegung ist bestechend, aber aus mindestens zwei Gründen nicht stichhaltig. Zum einen widerspricht es einfach der Alltagserfahrung anzunehmen, dass der Konflikt vor dem Himmel aufhört. In Christus angekommen zu sein bedeutet nicht, keinen Kampf mehr zu haben. Im Gegenteil: Gottes Wort setzt uns immer wieder neuen Kämpfen aus. Zum anderen taucht das anthropologische Modell des Römerbriefes auch noch im Galaterbrief auf und da wird klar, dass es für jeden Christen ein Lernprozess ist im Geist zu wandeln.

2) E.W.Kenyon sieht in Römer 7 den Ausgang aus einer sinnedominierten Welt. Fleisch ist für ihn sehr wörtlich zu verstehen als unsere fünf Sinne, auf die wir uns stützen. Für ihn geht es im Christsein darum, dass wir lernen aus Glauben zu leben und dem Wort mehr zu vertrauen als unseren Sinnen. So sehr ich ihm auch in der Schlussfolgerung zustimme, hier liest er etwas in das Wort Fleisch hinein, was Paulus nicht hineingelegt hat. Überhaupt weist sein Konzept Lücken und gnostische Züge auf; aber darum geht es hier nicht.
Ich habe von seiner Ansicht viel gelernt und bin absolut der Ansicht, dass sich der Glaube der meisten Christen zu sehr am sichtbaren orientiert und zu wenig an der biblischen Offenbarung – das ist aber beim besten Willen nicht das Thema von Römer 7.

3) Ich sehe in Römer die Beschreibung des Kampfes in den uns Gottes Wort immer wieder stellt: Es zeigt uns eine neue Realität und fordert uns heraus. Wenn wir die Herausforderung annehmen, gehen wir immer wieder durch dieselbe Phase: wir wollen das Eine, tun und leben aber das Andere.

Ein Kampf auf Leben und Tod:
Ich freue mich, tief im Herzen,
an Gottes Gesetz,
aber die Glieder meines Leibes
– das elende Fleisch! –
folgen einem anderen Gebot,
dem Gebot,
das sich meiner Vernunft widersetzt.
Wehe! Die Lüste! Die Begierden!
Der Aufstand der Glieder
– der Werkzeuge des „Fleisches“ –
gegen den Geist!
Erlösung! rufe ich, Erlösung!2

Am konkreten Beispiel geht es hier um den Kampf gegen Sünde. Aber es können auch andere Themen sein in denen uns Gottes Wort in Widerspruch zu dem setzt, was wir bisher gelebt haben. Immer wieder gibt es Phasen im Wachstum in denen wir selber nicht tun, was wir wollen. Am Ende bleibt immer der Schrei nach Erlösung und die Erkenntnis, dass wir noch immer Menschen sind, die eines Erlösers bedürfen.

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  1. Jens, Walter: der Römerbrief. Stuttgart: Radius-Verl. (Radius Bücher), S. 35 []
  2. Jens, Walter: der Römerbrief. Stuttgart: Radius-Verl. (Radius Bücher), S. 38 []

11 Kommentare

  1. Hey Storch, ich dachte Du bist im Urlaub? Aber trotzdem jeden Tag einen Post. Respekt.

  2. Hallo Storch!
    Römer 7 ist irgendwie grad voll mein Thema. Ich hatte in diesem Schuljahr Römerexegese und hab eine kurze Ausarbeitung zu „Geist und Fleisch“ verfassen müssen. Mir is dabei total wichtig geworden, dass Kapitel 8 eigentlich die Antwort auf die ganze Misere is. Aber so richtig verstanden hab ich die ganze Problematik noch immer nich. Mir geht es momentan so, dass ich über mein Sünderdasein total traurig bin, weil ich merke, dass ich sogar, dann wenn ich meine Gutes zu tun sündige, weil ich meine eigene Ehre suche, oder auf andere herabschaue, oder sonst irgendwelche schrägen Motive habe. Sünde hat ein so großes Ausmaß in unserem Leben, dass ich mich frag, ob wir überhaupt „nicht sündigen“ können. Vielleicht merken wir´s meistens nur gar nicht. Ich bin mal gespannt was Gott mir dazu noch erzählt. Ich glaub auf diese Diskrepanz stößt jeder Christ mindestens einmal in seinem Leben und viele Leiden sicher auch darunter, weil sie sich schlecht fühlen. Deshalb denk ich das es wichtig ist damit einen gesunden Umgang zu finden. Was ich dazu auch festgestellt hab ist, dass viele Christen durch ihr Sündenbewusstsein sich von Jesus getrennt fühlen. Klar richten wir Mauern auf, durch unsere Sünde, aber Gott steht nicht mit verschränkten Armen dahinter und sagt „jetzt sieh mal zu wie du wieder darüber kommst!“ Wegen schlechtem Gewissen trauen sich viele nicht mehr in die Gegenwart Gottes. Da Jesus genau dafür gestorben ist, dass wir mit ihm Gemeinschaft haben können, trotz unserer Schuld, ist es doch total irrsinnig, zu glauben, dass Gott wegen unserer Sünde keine Gemeinschaft mit uns will.
    So viel mal meine Gedanken dazu…

  3. @ martin: timestamp macht es möglich. ich habe oft ein paar monate vorgeschrieben. na gut, ein paar monate ist selten, aber einer ist schon recht normal.

    @ corry: ich wünche dir, dass du eine antwort findest. ich meine auch, dass die antwort in römer 8 ist, auch wenn ich den ersten vers noch römer 7 zuschlagen würde. wenn sich dem tiefen verständnis der sündhaftigkeit noch eine tiefe erkenntnis der gnade zugesellt, kann man wieder mit seinen defiziten leben.

  4. Hallo Storch – Eine solide Arbeit über Röm 7. Ich denke auch, daß Paulus mit Röm 8, 1 an 7, 1 – 6 anknüpft, ohne nochmals auf 7, 14 – 24 zurückzublicken. Es lohnt sich überdies, einmal die letztgenannten Verse mit Ps 13, 1 – 5 zu vergleichen und im Anschluß Röm 7, 24.25a mit Ps 13, 5.6a: In Röm 7, 14 – 24 ist die zu-ständliche Bewegung der incurvatio in se ipsum, der Selbstverkrümmung des Subjekts, offenkundig zu ihrem Ende gelangt – der Glaube ist gleichsam völlig hinter dem Rücken geraten, kein Gebetswort ist hier zu lesen, im Gegensatz zu Ps 13, 1 – 5. Identisch jedoch ist der unvermittelte Umbruch zur Gnade – aus Gnade in Röm 7, 24 -> 25a resp. Ps 13, 5 -> 6a. Der besagte Umbruch ist ein in unserem Glaubensleben sich stets neu ereignendes Wunder, indes für einige Christen nur schwer oder gar nicht nachzuvollziehen. Sie betrachten den Glauben sozusagen als einen Standpunkt mit dem Radius Null – und dies gegen Hebr 12, 2 insonderheit, aber im Widerspruch auch zu Eph 3, 16 – 19 sowie Tit 2, 12.13 etc. Jedenfalls dürfte in diesem Zusammenhang die Bedeutung der fürbittenden Gemeinde auf ein ganz besondere Weise einsichtig werden.

  5. Hi Eule,

    erst einmal: „herzlich willkommen!“
    Interessante Gedanken, insbesondere die parallelen zu den Psalmstellen. danke für die Anregungen!

  6. Merci, Storch – gern´ geschehen!

  7. „Mir wirds am deutlichsten in Römer 7, 12/13“

    Der Brief des Paulus an die Christen in Rom

    Verfasser: der Apostel Paulus
    Ort: Korinth
    Zeit: 56 oder 57 n. Chr.

    Paulus war ein jüdischer Gelehrter, der Christ wurde, weil ihm der auferstandene Jesus selbst begegnete. Viele der neutestamentlichen
    Briefe stammen aus seiner Feder. Er beschreibt in ihnen die Inhalte
    des christlichen Glaubens, aber auch die Fragen, die unter Christen
    auftauchen, nimmt er auf und beantwortet sie. So ist auch sein Brief
    an die Gemeinde in Rom, den er während seiner dritten Missionsreise
    schrieb, eine zusammenhängende und geordnete Darstellung über
    die Grundlagen des christlichen Glaubens.
    Paulus beschreibt, wie die Menschen sich gegen Gott auflehnen,
    seinen Willen mißachten und es deshalb verdient hätten,
    daß Gott sich von ihnen abwendet. Doch Gott überläßt die Menschen
    nicht ihrem Schicksal; was sich keiner verdienen kann, schenkt uns
    Gott aus freien Stücken: Er nimmt uns an, weil Christus die Strafe
    an unserer Stelle auf sich genommen hat. Jeder, der sich darauf
    verläßt, kann vor Gott bestehen. Diese Tatsache bestimmt das
    Leben eines Christen von Grund auf. Als jüdischer Gelehrter hat
    Paulus besonders seine Landsleute im Blick und behandelt
    ausführlich ihr Verhältnis zum christlichen Glauben.
    Zum Schluß gibt Paulus einige Hinweise, wie
    Christen leben sollen:
    Weil sie von Gott geliebt sind,
    können sie diese Liebe an andere weitergeben.
    (Dreckiger Tod, Fettes Comeback!
    -Öffne die Augen! Was siehst du? JesusFreaks NT,
    aus der Hoffnung für alle Übersetzung. S. 197).

    Römer 7, 12/13

    12 Das alte Programm entspricht zu 100 Prozent
    Gottes Willen. Jedes einzelne Gebot geht voll und ganz in Ordnung.
    13 Kann denn das, was eigentlich voll in Ordnung ist,
    uns den Tod bringen? Nein, natürlich nicht! Es ist das Schlechte,
    das uns umbringt – die Sünde. Da mir die Regel aber zeigt,
    was gut ist und was nicht, beweist das alte Programm,
    dass ich schuldig bin, denn es macht deutlich, wie ätzend es ist,
    nicht das zu tun, was Gott vorgeschrieben hatte.</em

    Römer 7, 12/13 Volxbibel

  8. Korrektur zu meinem Beitrag vom 23. Juni d. J. um 15:30 Uhr:

    Es muß heißen „(…), allerdings nicht ohne nochmals auf 7, 14-24 zurückzublicken.“

  9. Die Antwort, weshalb wir in diese, für uns unloesbare Situation hinein kommen, lese ich in Hesekiel 36,22-36. Ich kann auch nur sagen, es war ein furchtbarer Prozess und er ist noch nicht zu Ende, ich harre weiter. Ich hatte lange gemeint, nur noch diese eine Suende überwinden,dann kann ich meine Hand an den Plug legen,aber es ist nicht die Überwindung der einen Sünde die mich hindert, es ist die Offenbarung, dass er mich ganz persönlich kennt und leidenschaftlich liebt. Ich bin wie Paulus durch das Gesetz, dem Gesetz gestorben. Gott kann mich schlagen oder streicheln, ich kann ihn nicht lieben und gehorchen,er wusste es die ganze Zeit.Jetzt harre ich weiter auf seine Gnade,dass er mich durch die Offenbarung seiner Liebe lebendig macht,damit ich seine Stimme hören und ihm folgen und ihn immer mehr erkennen kann.Er wird es auch tun.“Die Elenden und Armen suchen nach Wasser… ich der Herr werde sie erhoeren, ich der Herr werde sie nicht verlassen. ich werde Wasser giessen auf das Durstige…

  10. Es irritiert mich manchmal, dass Fleisch und fleischernes Herz ähnlich klingt, aber ganz anders aufgenommen wird.

  11. Fleischernes Herz kenne ich gerade nur in der Hesekielprophetie (11,19; 36,26). Da steht es in einem Gegensatzpaar mit dem steinernen Herz.

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