Und wieder mal ein altes Handout, diesmal von 2006. Es geht um einen meiner Lieblingsverse: „Die Freude am Herrn ist unsere Stärke“ (Nehemia 8,10).

Die Freude am Herrn

Darum sprach er zu ihnen: Gehet hin, esset Fettes und trinket Süßes und sendet Teile davon auch denen, die nichts für sich zubereitet haben; denn dieser Tag ist unserm HERRN heilig; darum bekümmert euch nicht, denn die Freude am HERRN ist eure Stärke! Nehemia 8,10

Nach der babylonischen Gefangenschaft gab es einiges zu tun: Jerusalem war zerstört und musste neu aufgebaut werden, ebenso der Tempel. Das ist das Thema zweier Bücher des Alten Testamentes: Esra und Nehemia. Beide Bücher handeln von den vielen Wundern, die Gott tut, um es den Israeliten zu ermöglichen, sowohl Stadt als auch Tempel wieder neu aufzubauen.
Schließlich, nach vielen Strapazen gelingt es. Die Stadtmauern sind fertig und die Stadt kann bezogen werden. Auch der Tempel ist wieder aufgebaut. Um auch die geistliche Seite wiederherzustellen, wird ein grosser Gottesdienst gefeiert und von den Priestern und Lehrern das ganze Gesetz des Mose vorgelesen. Da geschieht etwas Unvorhergesehenes: statt sich zu freuen, werden die Israeliten furchtbar traurig und fangen beim Lesen des Gesetzes an zu weinen. Das Weinen wird so laut, dass man nicht weiterlesen kann. Die Situation droht ausser Kontrolle zu geraten und die Leviten und Priester laufen umher und versuchen, das Volk zu beruhigen: Seid stille, denn der Tag ist heilig; bekümmert euch nicht! (8,11).

Übellaunige Heilige
Natürlich schliessen sich Heiligkeit und Traurigkeit nicht gegenseitig aus. Niemand, der heilig lebt, wird deshalb immer fröhlich sein. Aber es ist eben auch nicht so, dass Heiligkeit immer mit Ernst, Würde und schlechter Laune einhergehen muss. Heiligkeit und Freude sind zwei Sachen, die gut zusammenpassen.
Schade, dass Esra und seine Leute die Israeliten darauf überhaupt hinweisen mussten. Noch trauriger ist es allerdings, dass viele Christen heute, fast 2500 Jahre später, das immer noch nicht wissen. Lachen und tanzen im Gottesdienst, verrückte Sachen machen und einfach Spass am Leben und mit Jesus haben ist vielen suspekt.
Oft entsteht der Eindruck, dass Gefühle und Glaube nicht zusammenpassen und die Freude am Herrn reine Theorie ist, die sich keinesfalls praktisch und äusserlich zeigen darf. Das ist schade. Ich finde es richtiggehend scheisse, wenn Heilige immer an ihrer üblen Laune erkannt werden können. Die Freude am Herrn darf und soll sich auch äusserlich zeigen, auch wenn es dann manchmal zu fast peinlichen Szenen kommen kann.
König David war kein übellauniger Heiliger. Er freute sich so sehr darüber, dass die Bundeslade und damit Gott selbst nach Israel zurückkehrte, dass er in Unterwäsche wild vor ihr her tanzte (1.Chronik 15). Das war vielen peinlich, selbst seine Frau verachtete ihn dafür. Aber ist es nicht besser, sich mal vor lauter Freude daneben zu benehmen, als immer missmutig zu sein?
Vielleicht wirkt das Christentum heutzutage deshalb so unattraktiv, weil wir Christen missmutig und schlecht gelaunt versuchen, den Menschen um uns herum zu erzählen, dass Christsein lauter Freude ist? Mag sein, dass sogar der böse Nietzsche recht hatte, als er sagte: „Erlöster müssten sie mir aussehen, dass ich an ihren Erlöser glauben lernte.“*

Petrus und die Freude am Herrn
Eine Geschichte im Neuen Testament beeindruckt mich besonders, sie steht in Johannes 21. Petrus und ein paar andere Jünger sind fischen. Jesus ist gekreuzigt worden und auferstanden und auch schon einigen Jüngern erschienen. Es gibt wenig zu tun ausser abzuwarten, was als nächstes geschieht, und natürlich muss man arbeiten, um zu leben. So erklärt es sich, dass die Jünger auf dem See fahren, als Jesus sie findet.

Es ist eine schlechte Nacht. Harte Arbeit und kein einziger Fisch. Netze und Bäuche sind leer, als Jesus am nächsten Morgen am Ufer steht und einen guten Rat gibt: „Werfet das Netz auf der rechten Seite des Schiffes aus“ Petrus hatte sich durch die Ereignisse verändert. Obwohl er Jesus nicht erkennt, folgt er doch dem – eigentlich völlig unsinnigen – Rat des Fremden, wirft das Netz auf der anderen Seite des Bootes aus und – fängt mehr Fische, als sie einholen können.
Plötzlich geht Johannes, der auch im Boot ist, ein Licht auf. „Es ist der Herr!“, ruft er Petrus zu.
Da gibt es für Petrus kein Halten mehr. Die Freude über den auferstandenen Herrn überwältigt ihn. Obwohl das Boot bereits nahe am Ufer ist, wirft er sich schnell seine Klamotten über, springt und Wasser und schwimmt, so schnell es eben geht, zu Jesus. Plitschnass liegt er in den Armen seines Herrn – das ist Freude an Gott!

Drei Dinge, die die Freude am Herrn tut

1. Sie überwindet Angst und Scham

Schrauben wir die Zeit ein paar Tage zurück. Beim ihrem letzten gemeinsamen Abendessen hatte Jesus Petrus vorausgesagt, dass er in verleugnen würde (Johannes 13,36-38). Kurz darauf ist genau das passiert. Dreimal in einer Nacht sagte Petrus, dass er Jesus nicht kennt. Einmal schwor er es sogar. Wie muss das sein, einen Freund in einer Notsituation aus Angst zu verleugnen? Drei Jahre mit Jesus unterwegs gewesen zu sein und nachher zu behaupten: „Ich kenne ihn nicht, habe ihn nie gesehen?“ Für Petrus war es eine persönliche Katastrophe. Obwohl er sicherlich ein harter Mann war, der nicht nah am Wasser gebaut hatte, weinte er bitterlich, als er sah, dass sich die Prophezeiung Jesu erfüllt hatte.
Ich glaube, an Petrus´ Stelle hätte ich Angst gehabt, Jesus nach diesem Verrat unter die Augen zu treten. Wahrscheinlich hätte ich Johannes vorgeschickt: „Frag Jesus doch mal, ob er mich noch leiden kann. Ob er mir verzeihen kann!“ Aber die Freude, die Petrus hatte, als er Jesus wiedersah, war grösser als alle Angst und alle Scham. Er konnte nicht einmal warten, bis das Boot wieder angelegt hatte, und rannte Jesus entgegen so schnell er konnte.
Wie schade, wenn manchmal die Angst vor Gott und die Scham wegen Sünde und Versagen grösser ist als die Freude.

2. Sie überwindet Distanz und Schwierigkeiten

Der Weg zum Himmel ist nicht immer ein leichter. Es warten viele Schwierigkeiten und Entmutigungen. Wie wichtig ist es, auf diesem Weg einen guten Motor zu haben, der uns immer weiter treibt. Die Freude am Herrn ist so ein Motor. Vorfreude hilft einem Menschen, so manches an Schwierigkeiten zu überwinden.
Im Alten Testament findet sich eine Liebesgeschichte, die das schön illustriert. Sie steht im 1.Mose 29-30. Ein junger Mann mit Namen Jakob verliebt sich in Rahel, die wunderschöne Tochter eines Schafhirten. Er geht den üblichen Weg und hält bei dem listigen Hirten um Rahels Hand an. Ihr Vater Laban ist einverstanden. Aber eine Bedingung gibt es zu erfüllen: sieben lange, harte Jahre muss Jakob Laban dienen, bevor er Rahel zur Frau haben darf. Jakob ist einverstanden, und weil er Rahel so sehr liebt, kommen ihm die sieben Jahre vor wie einzelne Tage.
Das macht die Vorfreude. Kein Weg ist zu hart oder zu steil mit dem Bild Jesu und des Himmels im Herzen.
Der Weg, den Petrus zu Jesus schwamm, ging durchs Wasser, und ich könnte mir vorstellen, dass Petrus seit der Episode in Matthäus 14 ein gespaltenes Verhältnis zum nassen Element hatte. Aber seine Freude war so gross, dass er gar nicht an Schwierigkeiten und schlechte Erfahrungen denken konnte.
Vielfach wird der Weg des Glaubens hart und steinig, weil die Freude auf den Herrn fehlt.

3. Sie überwindet Werke und lebt aus Glauben

Seit der Vertreibung aus dem Paradies ist ein grosser Teil des Lebens Mühe und Arbeit. Es kommt häufig auf Leistung an, und oft werden Menschen danach bewertet, was sie zustande bringen. Das macht leider auch vor uns Christen nicht halt: manchmal wird dieses fiese Bild auch auf Gott übertragen und wir versuchen, ihn durch gute Werke zu beeindrucken.
Nun sind gute Werke an sich natürlich nichts Schlechtes. Gott selber hat gute Werke für uns vorbereitet, die wir tun können (Epheser 2,10). Schlimm ist es nur, wenn wir anfangen, uns über Erfolg und Misserfolg zu definieren und zu glauben, dass Gott uns nur dann richtig lieb hat, wenn wir möglichst viele gute Werke tun.
Die Freude am Herrn lässt diese Angst und die damit verbundenen Werke zurück. Petrus hatte gerade ein übernatürliches Werk vollbracht und kümmerte sich gar nicht mehr um die Fische. Sollen doch die anderen die Netze einholen, Jesus ist da!
Wenn Jesus einmal wiederkommt und wir ihm begegnen, werden wir alle unsere guten Werke und die ganzen Ruhmestaten, um die wir uns im Moment noch drehen, vergessen und ihm entgegenlaufen. Aber eigentlich wäre es doch viel schöner, die vollen Netze auch hier schon mal im Wasser zu lassen und einfach nur aus reiner Freude was mit Jesus zu machen, oder?

Wie sie kommt
Freude kann man nicht erzwingen – leider. Ich glaube, es gibt zwei Möglichkeiten, Freude zu bekommen:

1. Spontan

Manchmal freut man sich und weiss nicht warum. Man steht froh auf und sieht alles positiv. Oder man ist mit anderen zusammen, die sich freuen, und der Funke springt einfach über. Spontane Freude kann man nicht produzieren, aber man kann ihre Häufigkeit steigern durch eine positive Lebenseinstellung. Schwarzseher erleben seltener spontane Freude als Frohnaturen. Das ist eigentlich kein grosses Geheimnis.

2. Durch Kenntnis

Freude kann aber auch davon kommen, dass man etwas kennt und weiss, dass es gut ist und Spass macht. Ich freue mich immer auf einen Besuch im Steakhaus. Einfach, weil ich gerne Steaks esse und noch nie enttäuscht aus einem Steakhaus wieder rausgegangen bin.
Hier siedele ich die Freude am Herrn an. Ich freue mich auf Gott, weil ich ihn kenne und gut finde. Die Freude am Herrn und auf den Herrn wird immer grösser, je besser ich ihn kenne. So ist wachsende Freude mit einer wachsenden Gotteskenntnis verbunden.

Also kann man doch ein paar Dinge machen, um die Freude zu stärken:

  • Man kann inspirierende Gottesdienste besuchen, in denen Christen sind, die sich an Jesus freuen – mag sein, dass der Funke überspringt.
  • Man kann beten, dass Gott sich einem immer mehr offenbart
  • Man kann Bibel lesen. Es macht gerade Theologen und Forschertypen grosse Freude, Gott in seinem Wort zu begegnen.
  • Man kann Freudentöter aus dem Weg räumen, aber das ist eine andere Predigt und soll ein andermal gehalten werden.

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* Frei nach Friedrich Nietzsche, Also sprach Zarathustra.

Jesus Freaks Remscheid – your local underground church

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Ein Kommentar

  1. das war aber ne sehr besondere Situation bei Nehemia. Das Volk hörte und verstand das Gesetz Gottes zum ersten Mal seit Jahrzehnten. Sie waren deshalb erschüttert über alles, was sie missachtet hatten und wie sehr sie sich schuldig gemacht hatten. Normalerweise lechzt Gott nach so einer Haltung bei seinem Volk im AT. Da kommt so eine Großzügigkeit und Annahme rüber, eben weil sie trotzdem feiern sollten weil JETZT durch den Tempelbau alles wiederhergestellt wurde und damit neu werden wird.
    Diese Stelle finde ich gewaltig!
    Sie hatten allen Grund zum weinen weil sie merkten, wie weit sie sich von Gott entfernt hatten. Und Gott sagt einfach: freut euch und feiert, denn heute fangen wir wieder neu an = Hammer (v.a. für das AT).

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