04. Dezember 2008 15

Wortstudie: Geheimnis

Im Neuen Testament ist an zwanzig Stellen vom „Geheimnis“ die Rede. Das griechische Wort ist musth,rion (mysterion) und leitet sich ab von „den Mund verschließen“ als einer Bezeichnung für etwas, das nicht „gesagt werden darf oder gesagt werden kann“ (Coenen, Bietenhard: Theologisches Begriffslexikon zum Neuen Testament).
Soweit deckt sich das Wort von der reinen Bedeutungsbestimmung mit unserem Wort Geheimnis. Wenn man sich aber mal alle Stellen anschaut, die es im NT mit dem Begriff mysterion gibt, sieht man schnell, dass das Wort hier anders gebraucht wird:

Markus 4,11
Römer 11,25; 16,25
1. Korinther 2,1 und 7; 15,51
Epheser 1,9; 3,3f; 5,32; 6,19
Kolosser 1,26; 2,2; 4,3
2. Thessalonicher 2,7
1. Timotheus 3,9 und 16
Offenbarung 1,20; 10,7; 17,5 und 7

Das Geheimnis hat immer etwas mit Offenbarung zu tun, es ist Gegenstand der Offenbarung. Es ist etwas, das den Ungläubigen wohl verborgen ist, aber uns durch den Heiligen Geist offenbart wurde. Das Geheimnis ist also nicht mehr geheim, sondern liegt dem Gläubigen offen. Gerade bei Paulus steht das Geheimnis oft im Zusammenhang mit dem Evangelium, es ist dann der Wille Gottes zur Errettung des Menschen, der aber den Ungläubigen noch unbekannt ist und von uns, der Gemeinde, anderen erklärt werden soll.
Wir haben also Einblick in Gottes Geheimnisse und sollen diese anderen Menschen erklären. Unsere Aufgabe ist es, Geheimnisse aus zu plaudern!

Zur Zeit des Paulus standen in Griechenland Mysterienkulte hoch im Kurs. In den Kursen ging es immer um Geheimnisse, die Eingeweihte (sog. Mysten) vor der Welt verborgen hielten. In diese Mysterien wurde man eingeweiht, wenn man dem Kult beitrat. Ich vermute, dass gerade Paulus, der ja viel mit Heiden und Anhänger verschiedenster Religionen zu tun hatte, dieses Wort mit Bedacht immer wieder in seinen Briefen benutzte.
Die Parallele, die er damit zieht ist einfach zu bestechend: ebenso wie in einem Mysterienkult, mag es dem Aussenstehenden mit dem christlichen Glauben ergehen: er scheint ihm fremd und er muss in ihn eingeweiht werden. Diese Einweihung geschieht durch die Predigt, Glaubenskurse, Mentoring und alles Mögliche andere. Es geht darum, den Glauben weiter zu geben.

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8 Kommentare

  1. Hallo storch!

    Den Zusammenhang mit den antiken Mysterienkulten kann ich nachvollziehen; das ist sicherlich ein Grund für die Attraktivität des christlichen Glaubens in den ersten Jahrzehnten und Jahrhunderten gewesen.

    Ich glaube allerdings nicht, daß der Begriff des Geheimnisses im NT so gebraucht wird, daß es für Außenstehende eben „geheimnisvoll“ erscheint, während dies bei Christen kraft der Offenbarung nicht mehr der Fall sei. So sagt Paulus in 1Kor 2,1 nicht „euch das Geheimnis Gottes zu erklären“, sondern sehr spezifisch „euch das Geheimnis Gottes zu verkündigen“! Ähnliches kann man bei anderen Vorkommen des Begriffs im NT beobachten.

    Das Problem liegt wohl eher auf unserer Seite: wir werfen „Geheimnis“ und „Rätsel“ schnell in einen Topf – dabei ist ein Geheimnis etwas entscheidend anderes als ein Rätsel. Ein Rätsel wird uninteressant, sobald man seine Lösung hat. Das Geheimnis dagegen bleibt geheimnisvoll, so tief die Einsicht darin auch sein mag. Es nimmt einen in sich hinein, es zieht an, erfordert immer neue Betrachtung – es wird nicht langweilig. Ich glaube, es ließe sich zeigen, daß Paulus etwa dieses Verständnis von „Geheimnis“ hat.

    Von daher würde ich statt „Unsere Aufgabe ist es, Geheimnisse aus zu plaudern [schreibt man das in neuer deutscher Orthographie so? Graus! ;-)] sagen: es ist unsere Aufgabe, Menschen, die Christus noch nicht kennen, mit hineinzunehmen in das Geheimnis des Evangeliums. Das beinhaltet natürlich auch Lehre, Erklärung etc. – aber das Geheimnis geht nicht darin auf!

    LG,

    Tobias

  2. Ich hab das bis jetzt immer so verstanden, dass das Geheimnis in Jesus selbst liegt. (In ihm liegen verborgen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis usw.) Also jetzt nicht nur der Vers, aber das für mich immer klar war, dass die Leute die Lehre der Bibel und alles was darum passiert ist nicht verstehen, solange sie keine Offenbarung über Jesus haben.
    Auch die Israeliten haben ja noch einen Schleier vor den Augen. (2. Kor. 3)

    Und Jesus bleibt in sofern ein Geheimnis, dass wir ihn hier auf der Erde auch nie ganz erkennen werden. Es gibt immer noch 1000 neue Sachen an ihm, die wir jeden Tag entdecken und erfahren können…

    In Jesus wird das Geheimnis dann offenbart und doch nicht so, dass wir es jetzt mal platt „nur auf Verstandesebene erklären“ könnten, sondern dass es durch den Heiligen Geist in unserem Leben wirkt und von den Leuten gesehen wird und wir das was wir erleben bezeugen können.

    Deine Übertragung des Wortes beinhaltet ja auch den Punkt, dass es nicht gesagt werden „kann“, was für mich in die Richtung gehen würde…

    Gruß
    Matthis

  3. Gute Gedanken!
    Das Problem ist wohl, dass wir im Deutschen kein Wort für „Mysterium“ haben, das genau die gleiche Bedeutung des griechischen Wortes hat.
    „Geheimnis“ klingt so als, wenn Gott uns Rätsel aufgeben will. Das eingedeutschte Wort „Mysterium“ ist da vielleicht schon eine etwas bessere Übersetzung, da es andeutet, dass es etwas ist, das wir nie so ganz voll erfassen und verstehen können (zumindest nicht hier auf Erden).
    Auch wenn uns Gott viele seiner „Geheimnisse“ offenbart hat, bleibt uns noch die Aufgabe, diese „Offenbarungen“ immer besser und tiefer zu verstehen.

  4. @Stef:

    „Geheimnis“ ist eigentlich schon die adäquate Übersetzung für gr. ‚mysterion‘ – ich glaube einfach, unsere Verkopftheit der vergangenen Jahrzehnte hat dazu geführt, daß sich „Geheimnis“ in unserer Sprache abgeschliffen hat zu einem bloßen „Rätsel“. In der Poesie hat es sich die eigentliche Wortbedeutung aber noch erhalten. Und das ist eigentlich gar nicht dumm: wir müssen das Evangelium einfach auch wieder mit mehr Poesie verkündigen, dann hat sich das Problem erledigt … 😉

  5. @ Tobias:
    ich habe es gerade noch mal erfragt. es heisst immer noch „auszuplaudern“ – halleluja, eine von den neuen regeln, die ich mir falsch gemerkt habe. da bin ich auch echt froh, mir ist das beim schreiben immer schwer gefallen.

    das deutsche wort „geheimnis“ leitet sich laut etymologieduden von „zum haus gehörig, vertraut“ ab. also auch da etwas, das aussenstehenden nicht bekannt ist und was deswegen für sie einweihungsbedürftig ist.
    ich sehe es auch so wie ihr (stef und tobias), dass das geheimnis immer etwas geheimnisvolles bleibt, weil es sich nicht rein intellektuell erschliesst. ich wollte auch gar nicht sagen, dass es etwas ist, was man völlig versteht nachdem man es erklärt bekam. in dem zusammenhang finde ich den hinweis von matthis sehr gut. stimmt, das geheimnis in diesem sinne hat etwas mit christus zu tun.
    aber dennoch verkündigen wir kein geheimnis sondern schliessen es auf. sonst wäre predigen ja: „ihr wisst es nicht und ich auch nicht“. wir nehmen andere mit „in das geheimnis hinein“ – das ist eine gute umschreibung. jesus, das evangelium, und alles andere geistliche ist gleichzeitig vertraut und mysteriös – ich vermute, dass es immer so bleibt.

  6. @storch:

    Deshalb habe ich ja darauf hingewiesen, daß dieses Geheimnis des Glaubens durchaus auch der intellektuellen und existenziellen Erschließung in Lehre, Ethik und Glaubensleben insgesamt bedarf. Sprich: wenn wir mit Paulus das „Geheimnis Gottes verkündigen„, dann umfaßt diese Verkündigung die intellektuelle und existenzielle Erschließung des Geheimnisses, das dadurch zwar „erhellt“ wird, aber immer geheimnissvoll bleibt. Ich glaube, auf so eine Beschreibung können wir uns einigen, odr?

  7. absolut, ja.

7 Pingbacks

  1. […] allein war, fragten sie ihn nach dem Sinn seiner Gleichnisse. 11 Da sagte er zu ihnen: Euch ist das Geheimnis des Reiches Gottes anvertraut; denen aber, die draußen sind, wird alles in Gleichnissen gesagt; 12 […]

  2. […] welches Amt die Gnade Gottes mir für euch verliehen hat. 3 Durch eine Offenbarung wurde mir das Geheimnis mitgeteilt, das ich soeben kurz beschrieben habe. 4 Wenn ihr das lest, könnt ihr sehen, welche […]

  3. […] und sich an seine Frau binden, und die zwei werden ein Fleisch sein. 32 Dies ist ein tiefes Geheimnis; ich beziehe es auf Christus und die Kirche. 33 Was euch angeht, so liebe jeder von euch seine Frau […]

  4. […] 19 auch für mich: daß Gott mir das rechte Wort schenkt, wenn es darauf ankommt, mit Freimut das Geheimnis des Evangeliums zu verkünden, 20 als dessen Gesandter ich im Gefängnis bin. Bittet, daß ich in […]

  5. […] 1,9-10 9 Er hat uns ja das Geheimnis seines Willens zu erkennen gegeben nach seinem Wohlgefallen, das er sich vorgenommen hat in ihm 10 […]

  6. […] das Gott mir übertragen hat, damit ich euch das Wort Gottes in seiner Fülle verkündige, 26 jenes Geheimnis, das seit ewigen Zeiten und Generationen verborgen war. Jetzt wurde es seinen Heiligen offenbart; […]

  7. […] Ende der beiden Verse spricht Paulus wieder einmal vom Geheimnis. Das ist wirklich ein großes Thema im Kolosserbrief. Dieses Mal gibt der Apostel aber eine weitere […]

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